erinnerung steigt auf



so fern was einst war
die erinnerung steigt auf
und auch die träne





scenobaukasten

die linke hand greift
nach dem giftgrünen krokodil
mit dem purpurnen maul
und den herrlichspitzen
blendaxweißen dreieckszähnen
ist es nicht lustig
das krokodil

die linke hand greift
nach dem kalten schneemann
mit dem zylinderhut
und der rotgefrorenen
mohrrübennase
ist er nicht lustig
der schneemann

die linke hand greift
nach dem betenden engel
nach der bunten litfasssäule
nach dem freundlichen hündchen
jetzt hast du sie alle ausgewählt
einfach so
ist das nicht lustig

du hast nach allen gegriffen
mutter vater und schwestern
nun greif nach dir selbst
das geht nicht
im baukasten fehlt
der linkshänder
ist das nicht lustig


quercus sessiliflora

du hast nachgeschlagen
wir könnten unter
traubeneichen
gegangen sein
gestern

schlag nach
unter welchen bäumen
könnten wir
gegangen sein
damals

gibt es ein buch
in dem wir
nachschlagen können
das längst
vergangene

weißt du noch
einmal saßen wir
vor büschen
an einem waldrand
schlag es nach


Iquique

von den inka
name der stadt
im großen norden

zwischen
cordillera occidental
und oceano pacifico

zwischen
kahlen bergen salziger wüste
kaltem meer

ungebunden
schwingt musik durch
viktorianische straßen

springt
zu den hochhäusern
wohnt in den favelas

wo ist
das geheimnis
von Iquique

heiße sonne
kahle berge bunte stadt
kaltes meer

heiß brennt auch
die liebe
in Iquique


spiegelbilder

nehmen wir uns
bei der hand
folgen
der melodie
in ein anderes land

schön war es da
traurig
zugleich
ein labyrinth
unser fernes reich

siehst mich
in deinen spiegeln
ich dich in meinen
o du mein jugendtraum
wir brauchen nur einen

dann sehen wir
erregt
bestürzt und entzückt
wie auf uns
unsere liebe blickt


zauberwald

wenn wir
den verschlungenen
den verwachsenen wegen
gefolgt sind

wenn wir
unserer melodie
von ferne von ferne
gelauscht haben

wenn wir
das echo unseres flüsterns
so leise so deutlich
vernommen haben

sollen wir dann
den lockenden
irrhain der jugend
verlassen

warum
zögern wir
was geben wir auf
ist da nicht auch düsternis
und gefahr


liebesklage jambisch

nicht floh syrinx vor mir
stand schmal im schilf
die nymphe
ihre füsse benetzt
von den wassern des ladon

wir blühten
fast stirn an stirn
getrennt nur
durch kühlenden
windhauch

pans flöte klang heiser
des hässlich behaarten
aus schilf brach er sich
die verwandelte
syrinx

zerschnitt sich die nymphe
zur liebesklage
zum schluchzen
der nachtigall
geflohen vor ihm

nicht mehr wartet auf mich
die errötende syrinx
im raschelnden schilf
lass gellen die flöte
bocksfüssiger pan


erinnerungen

licht
von kindersonnentagen
albtraum der nächte
flucht vor der liebe
die dich einholt
jubel
trauer
über das versagen

noch ist
die reise nicht beendet
noch kannst du handeln
froh
und ohne klagen


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